"Im Juni 2004 ist damit zu rechnen, dass die Karlsruher Stadtbahnen über den Steilstreckenabschnitt bis nach Freudenstadt-Stadtbahnhof fahren werden" - hatte der Chronist im Februar 2003 noch an dieser Stelle geschrieben.
"Typisch Ludwig" lautet der Kommentar, dass die (nichtöffentliche) Jungfernfahrt nach Freudenstadt bereits im November 2003 erfolgt ist!
"Wo wir sind ist Leben! Wo wir sind ist die Welt noch in Ordnung"
"Stadtbahnpapst" Dr. Dieter Ludwig auf der Fahrt zur Einweihungsfeier nach Forbach zum Autor dieser Seiten
Am 13.12.2003 wurde der Stadtbahnbetrieb auf dem oberen Abschnitt der Murgtalbahn zwischen Forbach/Raumünzach und Freudenstadt-Stadtbahnhof feierlich eröffnet.
Die Elektrifizierungs- und Trassierungsarbeiten konnten nach mehrwöchiger Totalsperrung ab Forbach am 9. November beendet werden.
Am Wochenende 7./8. November wurden auf der Steilrampe zwischen Baiersbronn und Freudenstadt Messfahrten durchgeführt, in deren Verlauf auch extreme Betriebssituationen getestet wurden.
Staatssekretär Mappus, Regierungspräsidentin Hämmerle, Landräte und
Bürgermeister zerschneiden das rote Band und geben damit den Stadtbahn-
betrieb auf dem Gesamtabschnitt Rastatt - Freudenstadt frei.
Allerdings fehlt die wichtigste Person auf dem Foto oben: Dr. h.c. Dipl.-Ing. Dieter Ludwig, dem weltweit bekannten und geachteten Promotor der Zweisystem-Stadtbahnwagen und des "Karlsruher Modells".
Er behält lieber im Hintergrund die Fäden in der Hand - und das mit großem Erfolg. Denn er ist nicht nur ein technischer Meister-Ingenieur, sondern er versteht es auch zu begeistern.
Seine ehrgeizigen Projekte können nur durch erhebliche staatliche Fördermittel (überwiegend GVFG) finanziert werden.
Aber auch die Anliegergemeinden, Fremdenverkehrsverbände usw. müssen aktiviert werden, um die Fahrgastzahlen auf seinen Strecken explodieren zu lassen
(Beispiel Murgtal 1. Abschnitt nach wenigen Monaten: Steigerung von 2400 auf 7000 Fahrgäste pro Tag).
Ankunft in Freudenstadt
"Ich hab's geschafft"
... dachte Staatssekretär Stefan Mappus vom UVM BW. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, den Eröffnungzug eigenhändig über die aufgearbeitete und neu elektrifizierte Strecke im wildromantischen oberen Murgtal von Forbach nach Freudenstadt zu fahren.
Nach einer etwas ruppigen Zielbremsung am Zwischenstopp in Baiersbronn freute sich Mappus (Bild links als Tf nach der Ankunft) über die gelungene Fahrt auf der Steilstrecke hinauf nach Freudenstadt.
"Ich hab's geschafft" ... dachte auch AVG-Chef Dieter Ludwig. Sein ernster Blick
kann nicht darüber hinweg täuschen, dass es ihm in (für Schienenprojekte) atemberaubend
kurzer Zeit gelungen war, das von AVG-Stadtbahnen befahrene Streckennetz bis nach Freudenstadt auszudehnen.
Übernahme der Murgtalstrecke durch die AVG
Das Karlsruher Erfolgsmodell "Tram-Train" (Stadtbahnfahrzeuge, die auf elektrifizierten Vollbahnstrecken unter 15 kV ebenso fahren können wie im Karlsruher Straßenbahnnetz mit 750 V Gleichspannung) streckt seit der erste Hälfte der Neunzigerjahre die Finger aus und wuchs kontinuierlich zu einem beachtenswert großen Netz heran.
Das Murgtal stellt dabei eine besondere Herausforderung dar.
Seit dem 1. Oktober 2000 ist die Albtalbahn-Gesellschaft AVG Betreiber der Gebirgsstrecke zwischen Rastatt und Freudenstadt (738 m).
Ein Pachtvertag mit DB Netz AG und DB Station&Service für die Bahnhofsanlagen mit einer Laufzeit von 25 Jahren legte den Grundstein für eine sensationelle Sanierungsgeschichte.
Nur 20 Monate dauerten die umfangreichen Bauarbeiten zur Ertüchtigung der Teilstrecke zwischen Rastatt und Raumünzach für den S-Bahn-Verkehr.
In diesem ersten Bauabschnitt (der Abschnitt Raumünzach - Freudenstadt Hbf folgte nach weiteren 18 Monaten) entstanden neun neue Haltepunkte (Rastatt-Beinle, Bad Rotenfels Schloss, Gaggenau Weinbrennerstraße, Ottenau, Hörden - der bisherige Haltepunkt Ottenau-Hörden entfällt - Gernsbach Mitte, Au / Murgtal, Gausbach und Raumünzach).
Außerdem wurde ein Abschnitt von 5 km (Kuppenheim - Bad Rotenfels Schloss) zweigleisig ausgebaut. Drei Kreuzungsstellen stehen, nach ihrem Abbau vor einigen Jahren, wieder zur Verfügung (Hilpertsau, Langenbrand und Raumünzach).
Wie alle anderen Signalanlagen werden auch diese Kreuzungsbahnhöfe vom neuen Stellwerk in Gernsbach gesteuert.
Neben der Gleis- und Brückensanierung, die zu manchen Einschränkungen des SPNV in den vergangenen Monaten geführt hatte, wirkt sich allerdings besonders die Elektrifizierung der Strecke auf das realisierbare Betriebsangebot aus.
Während der gesamte Personenverkehr zwischen (Karlsruhe -) Rastatt und Freudenstadt, mit Ausnahme einzelner 627 / 628-Leistungen, bisher über 218 bespannte Silberling-Wendezüge durchgeführt worden ist, kommen jetzt die Zweisystem-Stadtbahnwagen der AVG auf die Strecke.
Mit der Eröffnung des Stadtbahnbetriebs am 15. Juni 2002 veränderte sich das Zugangebot im unteren Streckenteil zwischen Rastatt und Forbach von bisher 17 RB auf 7 RE plus 32 S pro Werktag.
Das Betriebskonzept sieht dabei einen Zweistundentakt mit den lokbespannten Zügen zwischen Karlsruhe und Freudenstadt vor, die aber zwischen Forbach und Rastatt nur in Weisenbach, Gernsbach und Gaggenau halten.
Dazwischen verkehren die Stadtbahnwagen im Stundentakt mit Verdichtungen zum Halbstundentakt.
Viele diese Züge der neuen Stadtbahnlinie S41 kommen von Heilbronn und werden durch die Innenstadt von Karlsruhe geführt, nicht jedoch über den stark belasteten Abschnitt der Kaiserstraße zwischen Markt- und Europaplatz.
Der letzte Zug verlässt übrigens Heilbronn um 23.08 Uhr (genug Zeit für einen Besuch beim Kätchen) und erreicht Forbach um 1.46 (genug Zeit, um über den Besuch nachzudenken...).
Mit der Eröffnung des zweiten Abschnitts bis Freudenstadt ändert sich das Angebotskonzept kaum.
Die lokbespannten Züge werden durch Triebwagen (allerdings nicht, wie ursprünglich geplant, durch BR 425) ersetzt.
Diese werden als "Eilzüge" für den Zuglauf Karlsruhe - Freudenstadt nur noch etwa 60 Minuten benötigen (bisher ca. 100 min).
Stadtbahn S41 neigt sich, aus Freudenstadt-Stadtbahnhof ausfahrend, in die 1:22-Gefällestrecke hinunter nach Baiersbronn. Der Oberbau ist vollständig erneuert, aber der alte Kilometerstein steht noch.
Die Elektrifizierung gestaltete sich recht aufwändig. Zehn Tunnel werden auf der Gesamtstrecke durchfahren. Auf 2,5 km der Tunnelstrecke musste eine Gleisabsenkung durch den Einbau von Y-Schwellen vorgenommen werden.
Erstmals kamen in Deutschland auf einer Vollbahn in den Tunnels feste Fahrleitungen zum Einbau, um weitere Gleisabsenkungen mit ihren hohen Kosten und betrieblichen Einschränkungen zu vermeiden. Nach Abschluss der Elektrifizierungsarbeiten im oberen Streckenabschnitt soll der Dieselbetrieb enden.
Aufgrund der Streckenlänge ist eine einseitige Einspeisung der Fahrdrahtspannung von Rastatt bis Freudenstadt nicht möglich. Daher war im zweiten Bauabschnitt zwischen Raumünzach und Freudenstadt die Erstellung eines neuen Unterwerks in Baiersbronn vorgesehen.
Die Überprüfung der Kostenrechnung ergab allerdings eine Überraschung, die zur Planänderung führte.
Parallel zum zweiten Abschnitt der Murgtalbahn wird nun ab Ende 2003 auch der 30 km lange Abschnitt Freudenstadt Hbf - Eutingen im Gäu (dort Anschluss an die KBS 740) als "Einspeisung" für das obere Murgtal elektrifizert.
Nur ein Ast des "Freundenstädter Sterns", die 39 km lange oberer Kinzigtalbahn von Freudenstadt nach Hausach, bleibt dann als Dieselinsel ohne Tankstelle übrig. Schon jetzt fahren die Tübinger Triebwagen der BR 627, die lange Zeit den Gesamtbetrieb durchgeführt haben, täglich 66 km unter Fahrdraht von Hausach nach Offenburg zur Tankstelle und zurück (Anm.: Seit Herbst 2002 ist die Tankstelle in Freudenstadt wieder in Betrieb, allerdings mit einem kleinen "Schönheitsfehler" - siehe KBS 741).
Trotz der Ankündigung zur Abstellung der BR 627 im Januar 2004 fahren die betagten Triebwagen weiterhin im Kinzigtal und auf der Steilstrecke zwischen Freudenstadt-Stadt- bahnhof und Hauptbahnhof.
Ab Juni wird die Fahrleitung allerdings bis in den Hauptbahnhof verlängert sein. Ludwigs Stadtbahn wird dann eine weitere Etappe geschafft haben. Auch der neue Haltepunkt Freudenstadt-Schulzentrum wird spätestens am 13. Juni in Betrieb gehen.
Erfreulich sind auch die Pläne zur Reaktivierung des ehemaligen Dampflok-BW am Hauptbahnhof. Abgesehen von der Tankstelle und zwei Schuppen ist weitgehend Gestrüpp über die Vergangenheit gewachsen. Schon bald könnte hier ein kleiner S-Bahn-Betriebshof entstehen.
Weitere Meldungen zur KBS 716 (Eröffnung des 1. Teilstücks für den Stadtbahnbetrieb) finden Sie hier ...
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